ein denkwürdiges Datum – 19.11.22
20. November 2022
Nun ist das ominöse Datum da. Vor einem Jahr hat sich mein Leben komplett auf den Kopf gestellt und es tönt vermutlich ziemlich krass, wenn ich wage zu behaupten, dass mein Leben dadurch so schön geworden ist. Ich betone immer mal wieder, dass ich früher an einem Tag ohne Pläne, ohne Ziele – z.B. Sonntage oder Ferientage – bereits am Morgen durchgedreht habe, einfach weil ich doch produktiv sein musste. Hampi weiss ein Lied davon zu singen. Zeit ist nicht da zum verplämperln, Zeit ist Geld heisst es und bei mir war Zeit vor allem Pflicht. Man kann immer etwas tun, oder? Wie anstrengend, kräfteraubend und vor allem krankmachend dieser Lebenswandel war, erkenne ich vor allem jetzt, wo ich raus bin aus diesem Teufelskreis. Dass ich heute jeden Tag ein weisses Blatt vor mir habe, das ich füllen kann mit allen Farben des Regenbogens mit allen Ideen, Wünschen, Träumen, Nichtstun, basteln, stricken, zeichnen, schreiben, arbeiten… Das verdanke ich meinem Krebs, der mich in diesem Jahr wirklich herausgefordert hat. Zweimal hing mein Leben am seidenen Faden, eine Not-OP wegen Darmverschluss, ein Stoma, ein Magengeschwür, viele viele Schmerzen. Dazu zog ich gestern eine Karte, in der es hiess, dass Angst nur dann überwunden werden kann, wenn man beginnt seinen eigenen Schmerz zu fühlen.
Gestern ging es ums Thema spüren, fühlen, achtsam sein und wir diskutierten über den Tag verteilt immer wieder darüber. Es ist nicht einfach, sich mit dem eigenen Schmerz auseinanderzusetzen, wenn man nicht genau weiss, was denn so schmerzt. Heute weiss ich es. Mein Schmerz, der mein Herz schwer macht(e), ist, dass ich der irrigen Überzeugung nachhänge, dass ich das Gute, die Fülle, die Liebe und das Glück nicht verdient habe, da ich doch ein Mensch mit Fehlern bin, vielleicht jemanden verletzt, vielleicht nicht so behandelt habe, wie ich es für mich selber wünschen würde – je nachdem sogar unbeabsichtigt. Ein Überbleibsel aus zum Glück vergangenen Kinder- und Sektenzeiten. Ich spüre jedoch heute noch den Stachel, der tief gesessen hat und heute noch Schmerzen zu verursachen vermag…
Ja, und mit diesem denkwürdigen Tag, an dem sich mein Lebensglück und meine Lebensgefahr jähren, schliesse ich für den Moment die Augen, halte inne, gehe in mich und weiss, die Geschichte wird weitergehen. Ich bin gespannt, wie. Ich glaube an ein Wunder und sage das auch immer wieder: Isabel, sei selbst das Wunder. Wieviele Wunder ich in diesem Jahr erlebte, können in meinen Blogs erkannt werden und dass es hiess, ich hätte noch ein halbes Jahr maximum, das kann ich heute auch widerlegen. Ich hab doch schon ein Jahr geschafft und bin aktuell gänzlich ohne Schmerzen, ohne Medikamente neben der Chemo und mit viel Hoffnung, Zuversicht, Dankbarkeit und eisernem Willen, das Wunder weiterhin zu sein….