gibt es ein richtig oder falsch?
29. Juni 2022
als ich zu Beginn meiner Krebsdiagnose in meinen Schattenseiten forschte (weil der Darm ja die „Schatten“ in sich wohnen lässt, all das Dunkle, was Abfall ist und raus muss), dachte ich stets: ja klar, die Schattenseiten gehören zu uns. Yin und Yang, Tag und Nacht, die Kehrseite der Münze…
Auf einer gemütlichen Autofahrt habe ich dieses Thema mit meiner Mutter besprochen und wir erkannten, dass wir trotz aller Akzeptanz für diese BEIDEN Seiten in uns, immer eine Bewertung mitschwingen lassen. Wir sind uns gewohnt, abzuwägen, zu be- und zu verurteilen. Wir haben ja von Kindesbeinen an gelernt zu erkennen, was richtig oder falsch ist, was gut und böse ist. Nicht zuletzt in der Sonntagsschule, im Religionsunterricht wurde uns eingebläut, was sündhaft ist und wie wir uns zu verhalten haben. In einem Vortrag von Alberto Villoldo erklärte er, dass nur in unserer westlichen Kultur mit unserem Glaubenssystem die „Schuld“ vorkommt, unsere biblische Geschichte spricht deutlich: Adam und Eva haben sich schuldig gemacht und wurden aus dem Paradies verbannt… Eine Erbsünde, von der man spricht, welche es jedoch bei den Urvölkern nicht gibt… Worauf will ich hinaus?
Also. Ich war gestern in der Klinik in Arlesheim und erfuhr, dass meine Schmerzen das sehr deutliche Zeichen für die metastasierenden Zellen sind, welche sich nun in meinem Bauch ausgebreitet haben. Bereits zu Beginn meiner Erkrankung konnte man keine Heilung erwarten. Allen Unkenrufen zum Trotz, war mir klar, dass es mir um das Heilwerden geht, vor allem auf seelischer Ebene, auch wenn der Körper dabei auf der Strecke bleiben müsste (und natürlich gehofft, dass ich dem Schicksal ein Schnippchen schlagen kann). Ihr habt mitgekriegt, wieviel ich lernen, erfahren und gewinnen durfte. Der Spruch, dass die Krebserkrankung sehr viel Glück in unser Leben brachte, unterschreibe ich zu 100%. Nun sieht die Diagnose sehr schlecht aus und auch eine Chemotherapie wäre von Anfang an ein Herausschieben der Zeit gewesen. Ein hoher Preis für Zeit, welche an Qualität zweifeln lässt. Nun stehe ich also an dem Punkt, an dem ich sagen muss: es sieht so aus, dass mein Weg ein Ende gefunden hat, aber es war mein Weg und es ist meine Entscheidung, nicht um jeden Preis, Tage anzuhäufen, sondern meinen Tagen Qualität zu geben. Und was hat das alles mit dem Titel zu tun?
Es gibt nämlich kein richtig und kein falsch auf dem eigenen Weg. Das empfinde ich als grosse Erleichterung. Entscheidungen können niemals falsch getroffen werden, denn alles enthält immer diese beiden Seiten der Medaille und wenn wir diese Seiten nicht mehr werten und sie annehmen, erkennen wir, dass Geburt und Tod zum Leben gehören, wie eben die beiden Seiten einer Medaille und dass keines von Beiden richtig oder falsch ist. Die Geburt ist nicht besser als der Tod, weil unser physischer Tod eine Geburt in ein neues Dasein bedeutet. Ich empfinde grossen Frieden darin, erkennen zu können, dass wir frei sind, wenn wir uns keiner Polarität mehr aussetzen (müssen), nicht mehr gut oder schlecht unterscheiden, nicht mehr richtig oder falsch bewerten. Dann haben wir nämlich das Feld vom Opfer und dem Schuldigen verlassen und erkennen unsere Schöpferkraft, indem wir alles sind – Yin und Yang.